Donnerstag, 15. Mai 2014

Songtext mal anders

Ahoi, Matrosen.

Ich hätte das Sommerwetter nicht so preisen dürfen. Es kam, wie es kommen musste. Regen, Regen, Regen. Jeden Tag. Ich schätze, jetzt müssen wir uns alle neue Regenschirme kaufen und die Pflanzen nach draußen stellen, dann scheint bestimmt wieder die Sonne.

Letzes Mal hat ein Leser oder eine Leserin ein Kommentar mit dem Songtext von Küssen kann man nicht alleine von Max Raabe hinterlassen, mit der Anmerkung, dass sich doch ein paar interessante Worte in diesen Lyrics verstecken. Der Meinung bin ich auch, nur was man mit diesen Worten denn nun machen soll/kann ist nicht ganz aus dem Kommentar hervorgegangen. 

Da jetzt Story-Samstag dran ist, schlussfolgere ich, wir machen eine Geschichte draus. Bin ich nicht ein Meisterdetektiv? Ich bin allerdings nicht gerade geübt im Umgang mit romantischen Geschichten, also ersetzen wir jedes küssen durch wippen und geben dem Ganzen einen etwas anderen Hintergrund.

Der Name Story-Samstag erklärt sich zwar eigentlich schon von selbst, wenn ihr aber trotzdem nochmal nachgucken wollt, worum es geht, dann könnt ihr das hier tun.

Wippen kann man nicht alleine

Links. Rechts. Nordnordost. Wohin er auch blickte, es war keine Menschenseele in Sicht. Er war völlig allein auf dieser Welt. Nicht, dass ihm das irgendetwas ausgemacht hätte.
  "Ich brauche niemanden. Nein, nein, niemanden." 
Er legte eine kurze Denkpause ein, schaute sich nochmal um und verfiel dann in manisches Gelächter: "Hihihi, Nie-Man-Den", in solchen Momenten der Klarheit mochte er es, Wörter in die Länge zu ziehen.
  "Ich kann gegen mich selbst Schach spielen und ich gewinne immer. Im-Mer, hihihi. Und ich kann alles für mich allein haben und muss niemals teilen", murmelte er mit plötzlich ernster werdender Miene. "Mama hat immer gesagt, das wäre unmoralisch und falsch." Mit dem letzten seiner Worte begannen sich seine Mundwinkel wieder nach oben zu schieben. "Aber Mama ist nicht mehr da. Niemand ist mehr da, hihihi."
  In all der Zeit, die er allein mit sich verbracht hat, konnte er sich eine Vielzahl von Dingen beibringen, zu der man normalerweise mehrere Personen gebraucht hätte. Er hat gelernt, alleine einen Tauzieh-Wettbewerb zu veranstalten, er kann gleichzeitig Wasser-Ski fahren und das Boot manövrieren und er hat eigenhändig alle Rekorde im Staffellauf gebrochen.
  "Gott ist das frustrierend!", brüllte er, seine ruhige Fassade durchbrechend. "Was nützt mir all das? Es wird nie wieder so sein wie früher." Seine Stimme erstickte in Tränen der Wut und Verzweiflung.
  Es war eine der wenigen Erinnerungen, die ihm geblieben sind. Dieser Tag. Das Wetter war so unglaublich schön, die Vögel zwitscherten die wunderbarsten Melodien, die er je in seinem Leben gehört hatte. Seine Mutter hatte sich freigenommen, um mit ihm zum Spielplatz zu gehen. Auf dem Weg dahin hatte er einen Dollar gefunden und seine Mutter hatte gesagt, er dürfe ihn ausgeben für was er wolle. Und dann gingen sie gemeinsam zur Wippe. Stundenlang probierten sie aus, wer wo sitzen musste, damit sie gleich viel wogen. Und jedes Mal wenn einer von ihnen runterfiel, konnte er sich vor Lachen kaum halten. Es war der schönste Tag seines Lebens.
  Mit leerem Blick starrte er gegen die Wand: "Wippen. Wippen kann man nicht alleine. Dazu braucht man einen anderen Menschen", entrann es seiner heiseren Kehle.
  Plötzlich hörte er Schritte. Er erstarrte zu Stein und versuchte sich keine Angst anmerken zu lassen. 
  "Auf geht's Männer", sie sprachen seine Sprache, "holt ihn für ein Weilchen aus seiner Gummizelle raus. Aber lasst die Zwangsjacke an."
  Nachdem der Patient seine tägliche Frischluft-Pause hinter sich hatte und wieder in seiner Zelle saß, konnte der Praktikant seine Neugier nicht länger an sich halten: "Was ist denn mit dem Mann?"
  Der Oberarzt grunzte leicht, ehe er sich dem Praktikanten  zuwandte. Es war nicht das erste Mal, dass er diese Geschichte erzählen musste. "Armer Kerl. Sitzt die ganze Zeit in seiner Ecke und fantasiert. Immer wenn wir ihn rauslassen, ist sein einziger Wunsch, zu wippen. Das können wir natürlich nicht bewerkstelligen, aber wir versuchen trotzdem immer, es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Eigentlich aber sinnlos. Kaum sitzt der Mann für zehn Minuten in seiner Zelle, hat er wieder alles vergessen. Harte Vergangenheit, sage ich dir. Wenn ich mal für ein paar Stunden Zeit habe, erzähle ich dir die Geschichte."


So, das war der zweite Story-Samstag. Ich habe euch ja vorgewarnt, dass es nicht allzu romantisch wird. Aber sehr interessantes Thema. Postet gern noch mehr Songtexte und ich werde sehen, was ich daraus machen kann. Oder irgendetwas anderes.


Ich wünsche euch noch viel Spaß, ein deftiges Bratapfel-Gratin und weniger Regen. Es sei denn, ihr mögt das. Dann mehr Regen.

Schöne Schlussworte: "Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin." - Mark Twain

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